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MeineEntscheidung

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Frauen, Glaube, Tuch




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In Deutschland leben laut der Statistik zwischen 4,2 und 4,7 Millionen Musliminnen und Muslime. Muslimisch sein -  das ist für die Statistik in erster Linie eine konfessionelle oder kulturelle Zuordnung. Wie auch bei den Christen, praktizieren nicht alle Muslime ihren Glauben. Nicht alle beten regelmäßig, nicht alle fasten im Ramadan und nicht alle Musliminnen tragen Hijab. Diese drei Frauen aus Leipzig tragen sie.
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                                      Aigerim

                     Shurouq


                                     Steffi
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Shurouq ist  Apothekerin. Sie ist in Bethlehem groß geworden und hat dort Pharmazie studiert. An ihrem aktuellen Arbeitsplatz ist sie weisungsbefugt. 
Verhütung oder die Pille danach - gibt es in ihrem Job manchmal Konflikte mit dem islamischen Glauben? "Nein", sagt Shurouq, verheiratet und Mutter einer kleinen Tochter. "Ich mache meine Arbeit und meine Arbeit ist es, Menschen zu helfen."  Und wie ist das mit der Arbeit im Haushalt?


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Islam | إسلام und Koran | القرآن

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"Der Islam ist für mich ein Lebensziel," sagt Shurouq. "Es geht dabei nicht darum, was man trägt, isst oder trinkt. Es geht darum, was man tut - jeden Tag."
 
Das Wort Islam stamm von dem arabischen Verb aslama, es heißt so viel wie sich hingeben. Der Islam ist nach dem Christentum die zweitgrößte Weltreligion, er hat zahlreiche Schulen, Ausdifferenzierungen und Glaubensrichtungen. Die gemeinsame Grundlage des Glaubens ist der Koran. 
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Auch der angehenden Ärztin Aigerim geben Werte aus dem Islam Kraft für ihren Alltag: "Der Koran lehrt mich, dass das Leben nicht sinnlos ist.", sagt sie. "Es gibt einen Grund, warum gerade Du geboren bist." Das möchte Aigerim auch an ihre beiden Kinder weitergeben. "Der Glaube gibt Kraft, gerade dann wenn alles einmal so richtig sch**** ist," lacht sie. "Er hilft mir einfach, in Action zu bleiben."



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Der Koran ist in Suren geteilt, die wiederum aus einzelnen Versen, den Ayats bestehen. Die 48. Sure im Koran ist eine von Aigerims Lieblingsstellen. "Nach dem Schweren kommt die Erleichterung - für mich sind diese Verse Depressionsvorsorge," sagt sie und liest.

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Auch für Steffi ist der Islam Teil ihres Lebens. Als Konvertitin hat sie einen besonderen Vergleich zwischen dem Islam und ihrer "Herkunftskultur", wie sie es nennt: "Ich verstehe jetzt, dass Religion eine Lebenssache ist. Wir sagen, jeden Tag den man älter wird, hat man weniger Zeit gute Taten zu vollbringen" - und weniger Zeit für Bewegung. Steffi arbeitet als Sportlehrerin. Steffi mag ihren Job, doch geht es ihr wie vielen Frauen: "Auch wenn mein Mann mich sehr unterstützt, ich hätte gerne mehr Zeit für die Kinder." 
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Zeit für das Gebet nimmt sich Steffi trotzdem immer: "Der Islam legt viel weniger Wert auf materielle Dinge, als die Welt in der ich aufgewachsen bin", sagt sie. "Es geht nicht darum, wie viel Geld oder was für ein Auto du hast. Es geht darum, ob du einer guter Mensch bist". Die fünf Gebete am Tag sollen gläubige Muslime im stressigen Alltag daran erinnern. Auf Arbeit zieht sich Steffi dafür in einen ruhigen Raum in der Schule zurück. 
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Das Gebet | صلاة

Für praktizierende Muslime gehören diese fünf Gebete zum Tagesablauf:


Fadschr |  صلاة الفجر    vor Sonnenaufgang
Zuhr |  صلاة الظهر   wenn die Sonne über der Mitte ist 
Asr |  صلاة العصر  wenn die Sonne sich gelb färbt
Maghrib |  صلاة لمغرب  nach dem Sonnenuntergang
Ischar |  صلاة العشاء zur Nacht

Die Betenden folgen dabei einem bestimmten Bewegungsablauf auf einem Gebetsteppich, der nach Osten ausgerichtet ist. Ein Gebet dauert ungefähr fünf Minuten. Oft leitet ein Gebetsaufruf, al Adhan, das Gebet ein. 


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Verbote, Hass und Feuer

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Der Islam - was für diese drei Frauen Sinngebung und Kraftquelle ist, empfinden andere als vereinnahmend und bedrohlich. "Viele Menschen haben ein falsches Bild vom Islam," sagt Shurouq. "Sie denken: Islam, das sind Verbote, Hass und Feuer. Aber das, was sie da im Fernsehen sehen, das ist nicht der Islam. Das ist einfach nur schrecklich." Klar ist, wie jede Religion, wird auch der Islam unterschiedlich gelebt und interpretiert. 

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"Der Islam ist eine Religion, der in verschiedenen Teilen der Welt sehr unterschiedlich gelebt wird," erklärt Aigerim. "Wir können deswegen natürlich auch sehr unterschiedlich sein." Wenn das  Zusammenleben nicht funktioniert, dann scheitere es nicht am Islam, sagt sie. "Wenn, dann scheitert es an den Muslimen." Aigerim möchte mit der Gesellschaft in der sie lebt im Kontakt sein. Sie engagiert sich im Forum Dialog. "Echter Austausch entsteht erst dann, wenn die Menschen sich persönlich begegnen", so sieht sie das. 
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Die Bedeckung | حجاب

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Es gibt da noch ein Element, das einer vorbehaltlosen Begegnung manchmal im Wege zu stehen scheint. Es ist ein Stück Stoff. Die "Bedeckung" oder  Hijab wie es im Koran heißt oder das "Kopftuch", wie es in der medialen Debatte vielfach zitiert ist. Das Kopftuch wird oft in den Zusammenhang mit der Unterdrückung der Frau gebracht. Zu Unrecht finden Aigerim, Shurouq und Steffi. Grundlage für verschiedene Interpretationen bleibt der Koran. 
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Zwei Suren handeln von der Bedeckung der Frauen. Eine davon ist Al Ahsab ("Die Gruppe"). Steffi bedeutet diese Sure viel: "Sie zeigt, dass bei Frauen die inneren Werte in den Fokus rücken sollen. Der Wert der Frau bestimmt sich nämlich nicht über ihr Äußeres." Natürlich lässt sich darüber aus feministischer Sicht streiten. Ist das Erkennen innerer Werte der Frau  ohne die Bedeckung denn gar nicht möglich? Wie jede Frau beantwortet Steffi diese Frage für sich selbst. Shurouq betont noch eine andere Dimension.  Sie liest Al Ahsab auf arabisch, Steffi auf deutsch.

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"Das Kopftuch ist eine Glaubensstufe" sagt sie. Shurouq ist im Nebeneinander der Religionen aufgewachsen, für sie ist das Stück Tuch ein Bekenntnis. Sie wurde hier schon so manches Mal angesprochen: "Du bist jetzt in Deutschland, du kannst das Tuch jetzt abziehen." Da muss Shurouq lachen: "Ich weiß, dass ich das kann. Aber Leute, es ist meine Entscheidung." Manche Frauen tragen im Sinne der Bedeckung nur weite Kleidung und lange Röcke, Shurouq kombiniert ihr Kopftuch gerne mit Jeans. "Das muss jede Frau für sich entscheiden" sagt sie. 
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Steffi trägt gerne auch lange Tuniken. "Am Anfang ist man als Konvertitin ja sehr ambitioniert" lächelt sie. "Doch beim Fahrradfahren stört das dann."  Das Tuch hat Steffi erst nach ihrer Hochzeit aufgesetzt. "Ich habe mich für den Islam entschieden, ich hatte Lust diesen Schritt auch noch zu gehen" erzählt sie.
"Überlege dir das gut!", riet ihr Mann. Die beiden haben sich während des Sportstudiums kennen gelernt. "Er wusste, ich würde mir mein Leben schwer machen." Steffi entschied sich dennoch, diesen Schritt zu gehen - und trägt die Konsequenzen.

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Auch Aigerim kennt die kritischen Blicke - vor allem im Job. Mit dem Kopftuch kommt Verantwortung, das weiß auch Aigerim: "Egal was du machst, die Menschen werden alle Frauen nach deinem Verhalten beurteilen",  sagt sie. Ob am Arbeitsplatz, im Umgang mit ihren Kindern oder beim Einkaufen: Aigerim, Steffi und Shurouq agieren immer auch als Stellvertreterinnen. 



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Als praktizierende Muslima, die das Zeichen ihres Glaubens sichtbar tragen. stehen sie immer für eine ganze - oft marginalisierte - gesellschaftliche Gruppe: die der Kopftuchträgerinnen. Shurouq, Aigerim und Steffi sind aber auch Stellvertreterinnen auf eine andere Weise: Für junge Frauen, die wie so viele andere entscheiden zwischen Familie, Glauben und Beruf ihren eigenen Weg zu gehen. 
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Text und Produktion: Anna Flora Schade
Fotos: Nadin Sack










Dank gilt Shurouq, Aigerim und Steffi für ihre Zeit und ihr Vertrauen. Wir haben gemeinsam vereinbart, dass wie nur ihre Vornamen veröffentlichen.  










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